Kein
Strom in Wallstein
Die
Gemeinde Wallstein im
Landkreis Jägerndorf
und deren Bürger
galt(en) als nicht
unvermögend. Einerseits
hatte die Kommune größere
Waldbesitzungen und in
dieser Zeit stellte Wald
noch einen beträchtlichen
Vermögenswert dar,
andererseits waren deren
Bewohner fleißig und
sparsam. Manche
berichten, dass sie auch
der Geiz etwas
verfolgte. So wird
gesagt, dass einige
Bauern ihr Geld nicht
bei der örtlichen
Raiffeisenkasse
anlegten, sondern in
anderen Orten, damit
ihre Vermögenslage
nicht bekannt wurde.
Jede
Geldausgabe wurde
reiflich überlegt. „Doas
Schborn hoan die klan
Kender schund met dar
Muttermelich ofgenomm“.
In
den dreißiger Jahren
hielt auch die
Technisierung in den
kleinen Dörfern des
Altvatergebirges ihren
Einzug und dazu war
elektrischer Strom eine
Grundvoraussetzung. So
wurde z.B. der
Nachbarort Langwasser
mit seinen 127 Einwohner
(Zählung 1939) im Jahre
1934 an das
Stromnetz der MSE
(Mähr.-schles.
Elektrizitätsgesellschaft
Mährisch Ostrau)
angeschlossen (Jägerndorfer
Ländchen S. 258).
Auch
in Wallstein (521
Einwohner nach Zählung
1921) regte sich die
Diskussion um diese
Technik, so dass der
Gemeinderat zusammentrat
und sich zunächst dafür
aussprach. Nicht nur die
Arbeiten die bisher per
Hand oder mit Tieren
vorgenommen wurden,
z.B. das
Betreiben der Göppeldresch-maschine
würden durch
strombetriebene
Maschinen Erleichterung
bringen, sondern auch
die in den Häusern
lichterzeugende „Petroleumfonsl“
oder Karbidlampe würde
durch Glühlampen abgelöst.
Der
abendliche Ruf des
Vaters: „Kender bir
missen Petroleum schborn,
packt eich zoam“
endete mit der
Kurzformell: „Schulln,
batn, schloafn giean“
und damit war der Abend
beendet.
Die
Mehrheit des
Gemeinderates hatte die
Vorstellung, dass die
Landwirte, die Wald
hatten, die Strommasten
auf dem eigenen Grundstück
zu stellen hätten und
die anderen ohne Wald
sollten kostenlos die
Masten von der Gemeinde
bekommen. Da auch in
Wallstein Neid und
Missgunst keine Fremdwörter
waren, wie
man dies
vermutlich auch in
anderen Ort antraf,
regte sich Protest und
Widerstand bei denen die
ihr wertvolles Holz
kostenlos zur Verfügung
stellen sollten.
Andererseits
konnte es so mancher
nicht ertragen, dass mit
der neuen Technik der
eine oder andere
besondere Vorteile
ziehen würde. Dies galt
u.a. auch für Wirtshäuser,
die ihre Gäste im
hellen Licht der neuen
Errungenschaft bewirten
könnten. So wird überliefert,
dass ein Spannungsverhältnis
zwischen einem
Gemeindeschreiber (Name
bekannt) und dem
Gastwirt Hofmann Anton
bestand. Gastwirt
Hofmann war als guter
Musiker (spielte Geige
und Ziehharmonika)
bekannt und unterhielt
seine Gäste (ein Bild
von seinen Besuchern und
ihm ist unter:
www.Wallstein-Sudetenland.de/menschen.html
zu sehen), die von
weiter herkamen. Auch
die Tanzveranstaltungen
in dem angebauten Saal
fanden regen Zuspruch.
So
kam es, wie es kommen
musste. Der
Gemeindeschreiber machte
sich seine guten
Kontakte zu einzelnen
Gemeinderäte zu Nutze
und es gelang ihm, mit
welchen Mitteln auch
immer,
mit seinem Wunsch
Gehör zu finden. Seine
Begründung war: „Ich
will nie, doass die Gäste
bei Hofmannan bei
elektrischm Licht
Brodhinlan frassen und
Wein saufen“.
Dies
führte dazu, dass die
Gemeindevertreter
zwischen 1933 und 1935
nochmals über das
Vorhaben der
Elektrifizierung von
Wallstein abstimmten und
es diesmal mehrheitlich
ablehnten und dabei
blieb es bis zur
Vertreibung der Bürger von
Wallstein im Jahre 1946.
Wallstein
galt damit, soweit mir
bekannt, als eine der
wenigen
Gemeinden im
Landkreis Jägerndorf
die sich den
Verlockungen des
Fortschritts widersetzt
hatte und den
tschechischen
Vertreibern ein „rückständiges“
Dorf hinterließ. Ob
dies u.U. ein Grund dafür
war, dass in dem
beschaulichen Dörflein
sehr viele Häuser, in
Klein-Wallstein und
Verlorenwasser alle,
nach 1946 abgerissen
wurden lässt sich nur
vermuten.
NB:
Sollte jemand noch
andere Gemeinden im
Kreis Jägerndorf
kennen, in denen auch
keine Elektrifizierung
bis 1946 vorgenommen
wurde, bitte ich um
Nachricht.
PAF