Hofübergabe
An
einem Beispiel aus dem
Jahre 1937 wird
aufgezeigt, wie zu der
damaligen Zeit in
Verlorenwasser, Gemeinde
Wallstein eine Hofübergabe
vonstatten ging. Damit
ein solch weitreichender
Schritt später zu
keinen
Interpretationsschwierigkeiten
führen sollte, wurde
fast alles bis ins
Kleinste genau
festgelegt.
In
diesem Fall ging die Übertrag
vom Vater an den Sohn
und seine Ehefrau. Vor
dem Bezirksgericht in
Stadt Olbersdorf, Kreis
Jägerndorf im
Sudetenland schlossen
die Parteinen einen
Kaufvertrag in dem der
Verkäufer als
„Abtreter“ und die Käufer
als „Antreter“
bezeichnet wurden.
Das
Grundvermögen wurde,
wie im Grundbuch
festgehalten, mit den
jeweiligen Grundstücken
und der dazu gehörigen
Parzellen-Nr. einzeln
aufgeführt. Danach
wurden die Übernahme-
bzw.
Kaufpreisbedingungen
exakt aufgeführt. Der
Vertrag wurde bereits
mit Schreibmaschine und
in Deutscher Sprache
abgefasst. Lediglich
amtliche Vermerke waren
zweisprachig
(tschechisch und
deutsch) festgehalten.
Neben
einem Kaufpreis in Geld,
dem sogenannten
„Abtretungspreis“
wurde weiters die
„Alimentationspflicht“
bestehend aus dem
lebenslänglichen,
unentgeltlichen
„Wohnungs- und
Ausgedingsrecht“ sowie
den „Ausgedingsgiebigkeiten“
in Form von
Lebensmitteln etc.
festgelegt.
Für
die „Abtreter“ wurde
die in dem
landwirtschaftlichen
Anwesen sich befindliche
Ausgedingswohnung mit
den jeweiligen Räumlichkeiten
genau aufgeführt. Dazu
kam das ausschließliche
Benutzungsrecht für
einen Raum auf dem Schüttboden,
einem Teil im Keller
sowie im Schopfen der
neuen Eigentümer - auch
„Grundwirte“ genannt
-. Alle Räumlichkeiten
nach Wahl des
Ausgedingers. Zudem die
ausschließliche Benützung
des Dachbodens über der
Ausgedingswohnung.
Weiters
die ausschließliche Benützung
eines entsprechenden
Bleichplatzes im Garten
gegen den Bach zu, dem
Rechte des Wasserbezuges
aus dem Hausbrunnen, der
Mitbenützung des
gemeinsamen Abortes,
sowie das Recht des
freien und ungehinderten
Zu- und Abganges, der
Zu- und Abfahrt zu allen
diesen Ausgedingsräumlichkeiten.
Die Grundwirte sind
verpflichtet, diese
Ausgedingsräumlichkeiten
stets in einem gut
bewohn- und benutzbaren
Zustand zu erhalten und
sie im Falle ihres gänzlichen
oder teilweisen
Unterganges auf eigene
Kosten wieder
herzustellen.
Die
Ausgedingsgiebigkeiten
bestanden aus: Alljährlich
immer nach dem Drusch spätestens
bis 30. Oktober eines
jeden Jahres 400 kg
Korn, 200 kg Gerste, 150
kg Hafer, alles dies in
gesunder Qualität und
in marktfähig
gereinigtem und
geputztem Zustand, sowie
in derselben Frist 500
kg guter ausgeklaubter
und erdfreier
Speisekartoffeln und 50
kg Häuptelkraut.
Jährlich
auf Verlangen der
Ausgedinger 50 kg
Kornlangstroh; jährlich
1/3 der Obsternte; jährlich
immer bis Weihnachten ½
ausgefüttertes lebendes
Schwein im Totgewichte
von wenigstens 50 kg; jährlich
bis 15. September eines
jeden Jahres auf 4 kg
gereinigten Mohn von
guter Qualität; wöchentlich
auf 1 kg Topfens
(Quark); ¾ kg frischer
Kuhbutter; täglich auf
1,5 Liter
frischgemolkener
Kuhmilch von guter
Qualität und auf 1,5
Liter Magermilch; jährlich
während der Legezeit in
den von den Ausgedingern
abzurufenden Menge von 2
Schock (120 Stück)
frischer Hühnereier und
jährlich immer bis 15.
Mai auf 5 Raummeter
trockenes Brennholz/ Prügel.
Sämtliche
Ausgedingsgiebigkeiten
haben die Grundwirte den
Ausgedingern in deren
jeweiligen Wohnung in
Verlorenwasser vollständig
spesen- und abzugsfrei
zuzuführen und zu übergeben.
Ebenso haben sie den
Ausgedingern alle zu
ihrem Haushalt nötigen
Fuhren, wie insbesondere
Mühlen und Ärztefuhren
unentgeltlich zu
leisten.
Im
Falle die Ausgedingerin
ihren Gatten überleben
sollte, hat sie vom
Todestage ihres Gatten
angefangen nur Anspruch
auf die Hälfte der
vorangeführten
Ausgedingsleistungen.
Zum
Schutz gegen Brand,
Blitzschlag oder
Explosion von Leuchtgas
schlossen die neuen
Eigentümer im August
1937 eine
Feuerversicherung im
Wert von 43.000 Kronen
bei der Mähr.-Schles.
Wechselseitige
Versicherungs-Anstalt in
Brünn, Freiheitsplatz 4
ab. Die erste Prämie
samt Nebenkosten betrug
82 Kronen. Vereinbart
wurde, dass die Laufzeit
am 30.9.1937 beginnt und
unkündbar ist bis
30.9.1952. 1945/46 wurde
der Vertrag doch
einseitig beendet, indem
die Familie ihres
Anwesens beraubt und
vertrieben wurde.