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Tagebuch
über die Zeit von 1945 bis zur Vertreibung von
Frau Maria Poppe, Verlorenwasser, Haus Nr. 10 1945 Am
12.01. haben die Russen die Offensive angefangen. Im Osten ist eine sehr
gespannte Zeit, denn sie sind schon bis an die Oder vorgestoßen. Es sind
heftige Kämpfe im Gange. Rudi ist im Kurland eingeschlossen, wo sich auch dort
die heftigen Kämpfe ausweiten.Wir haben schon alles zum Flüchten eingepackt
und hergerichtet. Nun müssen wir nur abwarten, was das Schicksal uns bescheren
wird. Gott gibs, dass wir davor verschont bleiben, und warten mit Sorge, was
uns die nächste Zeit bringen wird. 19.02.
Wir dachten, der Teufel ist los. Den ganzen Tag hörte man die schweren
Artilleriegeschosse an der ganzen Front. Den nächsten Tag hat es sich wieder
etwas beruhigt, aber dies ist
bestimmt die Ruhe vor dem Sturm. 18.03.
kam die Meldung, wir sollen alle packen und uns bereit halten, zum Flüchten.
Die Geschütze donnerten so arg, dass unsere Fensterscheiben schepperten, Es war
eine schreckliche Woche. 20.03.
kamen die Flüchtlinge aus Neustadt zu uns. Ein Fabrikant (Herr Belda). Auch von
Hennersdorf, Johannestal und Petersdorf bekamen wir Flüchtlinge nach Wallstein
und Verlorenwasser. Unser Pech war, wir sollten selber fort. 24.03.
Es kam die Meldung, dass alle Fremden unsere Gemeinde verlassen sollten und wir
müssten uns weiterhin bereit halten. Nun sind die Mütter mit den Kindern fort
und wir müssen weiterhin abwarten, was auf uns zukommt. Die Russen sind schon
in Leobschütz und Neustadt. Zwischen dieser Zeit haben wir die Felder angebaut,
mit lauter Kummer und Sorge. 23.04.
Jetzt haben die Russen Berlin erobert. Man ist gespannt, was kommen wird. 23.04.
kam abends die Meldung, dass die Russen Troppau besetzt haben. 27.04.
kam die Meldung, dass Göring abgedankt hat.(wegen Herzleiden) 28.04.
kam die Meldung, dass unsere Armee wieder gegen die Russen kämpft. Die Lage ist
sehr gespannt, wie es weiter geht. 01.05.
kam die Meldung, dass der Dutsche ermordet wurde. 02.05.
kam die Nachricht vom Führer, dass er gefallen ist. Was jetzt kommen wird, das
weiß bloß der liebe Gott. 03.05.
kamen unsere Truppen und haben überall Geschütze aufgestellt. Das war eine
Remassur ! 05.05.
haben sich unsere Truppen wieder weiter abgesetzt und wir saßen da und die
Russen kamen immer näher. 07.05.
marschierten die Russen bei uns ein. Dieser Tag wird uns immer in Erinnerung
bleiben. Am selben Tage wurde der Hog-Doktor in Hillersdorf
erschossen. 08.05.
war Waffenstillstand; dann nahm das Plündern seinen Lauf. Gott
sei Dank blieben wir in Verlorenwasser noch verschont, aber wie lange noch ? 28.
und 29.05. haben sie von den umliegenden Dörfern Vieh abgetrieben. Was
wird denn noch alles kommen? Mit einem Worte gesagt: Es ist schrecklich!
An den Straßen haben sie schrecklich gehaust, das wird jedem gut in Erinnerung
bleiben. Am
Fronleichnamstage haben sie bei uns das Vieh abgetrieben. Die Leute sind mit dem
übrigen Vieh in den Wald gezogen. Dann war wieder ein paar Tage Ruhe. 8.,
9. und 10.06.
Da war der Teufel los ! Von früh zeitlich bis abends spät wurde geplündert.
Auf Frauen und Mädchen Jagd gemacht. 10.
und 11.06. haben unsere Mädchen im Walde geherbergt. Überall wurden die
schönen Pferde mitgenommen. Es waren schreckliche Tage. Jetzt sind die Russen
von Petersdorf, Johannestal und Hennersdorf abgezogen. Was wird uns noch alles
blühen? Dann
sind die Partisanen gekommen; die waren noch viel schlimmer als die Russen. Was
die Russen übrig ließen, holten die Partisanen. Vieh und Lebensmittel. Sie
verhafteten soviel Männer, welche arg gepeinigt wurden. Man quälte und schlug
sie mit Gummiknüppeln. Viele haben sich vergiftet. Jetzt begann erst eine
Menschenvernichtung. Hat sich dies das deutsche Volk verdient? Am ärgsten haben
sie in Jägerndorf, Troppau und Olbersdorf gehaust. Dort haben die Tschechen das
meiste enteignet und haben sich breit gemacht. Dies waren schon schreckliche
Wochen. Was wird noch alles kommen? 07.07.
haben sie den Hofmann Anton abgeführt, wegen Waffenbesitz. Er wurde von einem
Nachbar verraten. Vater
Edi, Weber Schneiders Sohn und Steiner Josef`s
Sohn aus Kleinwallstein haben sie heute auch abgeführt. Auch haben sie
unser Kalb geholt, das wir selber schlachten wollten; man soll eben nichts mehr
haben. Heute
haben sie wieder Waffen abgeholt. Henschker Karl, Furche und Kunschert wurden
auch abgeführt. Ein
paar Tage später holten sie den Hirsch Franz und den Hockauf von der Brettsäge
ab. Ende
Juli mussten die Olbersdorfer und die Hermannstädter ins Jägerndorfer Lager. 03.08.
wurden die Röwersdorfer auch ins Lager transportiert. Wir sind alle in banger
Sorge, was mit uns geschehen wird. Dies ist schlimmer als Krieg. Jeden
Tag kommt eine andere Meldung; man hat schon Angst, was uns der nächste Tag
bringen wird. Wir können nur auf Gott vertrauen. Nun
hat bei uns die Ernte wieder begonnen, aber die Lust zur Arbeit fehlt. Überall
setzen sich die Tschechen rein und die Deutschen werden verdrängt, ausgeplündert
und alles weggenommen, dass sie wie Bettler dastehen. Onkel Wilhelm ist auch im
Lager. 03.08.
kam Matzner Wilhelm von der Front heim. Wo wird mein Rudi sein ? 06.08.
ist Heinisch Hilde plötzlich durch einen Unfall im Alter von 11 Jahren
gestorben. 14.08.
kam die Meldung, dass Heinzendorf abgetrieben wird. Es wurde aber noch einige
Tage verschoben und dann wurden sie auf 2 Schübe ins Lager befördert. Es sind
seit kurzer Zeit haufenweise Slovaken in die verlassenen Häuser der Deutschen
eingezogen. Wir haben immer in Angst und Kummer gelebt. Unser aller Wunsch wäre,
wenn endlich mal Ruhe einkehrte. Wir alle gehen so scheu umher, wie ein
gehetztes Reh. Aber
die Armen im Lager, was müssen die alles ertragen und durchmachen. Sie schreien
alle um Brot. Wenn bloß die Vergeltung
kommen möchte; mit einem Worte gesagt, es ist schrecklich viele Monate keine
Lebensmittelkarten zu bekommen. Wo soll das noch hinführen? Man wartet von
einem Tag auf den anderen, aber vergebens! 12.10.
haben sie beim Appel Josef 3 Fuhren weggeführt und haben ihn auch mitgenommen. 13.10.
kamen sie wieder und holten den alten Herrn Metzner. Sein Sohn stellte sich
selbst. 16.10.
haben wie beim Heinisch-Müller alles ausgeräumt. Der Müller ist vorläufig
verschwunden. Wenn er nicht zum Vorschein kommt, müssen sie alle ins Lager. Die
Lage hatte sich aber wieder etwas beruhigt. September
wurde der 2. Schub Heinzendorfer ins Lager getrieben. Es sind nicht viel
Deutsche zurückgeblieben, nur wo man hinschaut, - Slovaken 21.10.
haben sie beim Scholze alles ausgeplündert. Einen großen Leiterwagen und einen
Bretterwagen voll beladen wurden weggeführt. Bei
Appel Johann und Appel Aloisin waren sie auch. Der ihre Mutter wollte des Plündern
verhindern und bekam derart Schläge und musste sich ärztlich behandeln lassen.
Die Bestien waren dann alle Tage da. 26.10.
früh um 6 Uhr haben wir gedacht, wir werden abgetrieben. Das war ein
schrecklicher Tag ! Der wird uns unser Leben lang in Erinnerung bleiben: Sie
haben in Verlorenwasser und Wallstein 15 Fuhren geplündert und weggeführt und
die Bestien haben außerdem unsere Leute so verprügelt. 28.10.
haben wir gedacht , es ist heute Ruhe, da es Sonntag ist. Leider sind sie wieder
aufgetaucht und haben alle Berge und Steinrücken durchsucht bis spät in die
Nacht. Der Steiner Johann war 8 Tage bei uns im Versteck; dann ist er wieder
gegangen. Wir sind noch nicht zur Ruhe gekommen und warten mit Sehnsucht auf Erlösung. 11.11.
heute ist Karli sein Geburtstag. Es ist immer noch so eine entsetzliche Zeit. Anfang
Dezember haben sie den Müller abgeführt. 17.12.
haben sie den Gottwald mit Frau und Tochter, den Bürgermeister und den Hockauf
Rudi abgeführt. Was wird bloß noch alles auf uns zukommen, bis zum Hl. Abend?
Es ist bald nicht mehr zu ertragen. Das alte Jahr ist bald zu Ende was wird
uns das neue Jahr alles an Unheil bringen ? Wir
beschliessen das Jahr 1945 auf nimmer Wiedersehen ! 1946 Das
Jahr wird nicht viel besser sein. Im Januar sind der Bürgermeister und der
Hockauf Rudi wieder zurückgekommen. Das neue Jahr fängt gut an mit dem
Aussiedeln. Es ist eine schreckliche Zeit. Wir haben alles bereit stehen zum
Abtransport. Februar,
März, April,
immer das Gleiche. 10.04.
ist Marie ins Krankenhaus gekommen. Am 2. Mai kam sie wieder heraus. Mai:
In der Ungewissheit wird wieder angebaut, aber es sind schon viele ausgesiedelt
und jetzt werden wir wohl bald dran kommen. 27.05.
ist meine Schwester Mieke Klameth und ihren Kindern aus Petersdorf ausgesiedelt
worden. 17.06.
sind Freitag Marie und Ziegler ausgesiedelt worden. Rings herum von den
Gemeinden sind
die meisten Deutschen schon weg. 22.06.
hat sich der Titze Adolf erschlagen (im Bach ertrunken, am nächsten Tag war
Fronleichnam). 01.07.
müssen von Hennersdorf, Johannestal, Petersdorf und Olbersdorf je 300 die
Heimat verlassen und nur 200 blieben noch zurück und mussten auf den nächsten
Transport warten. Wann wird an uns die Reihe kommen ? Im Juli ist meine
Schwester Mili so schnell fort und am
26.8. ist Familie Stephan aus Langwasser ausgesiedelt worden. 16.09.
mussten wir unsere Heimat verlassen und kamen ins Troppauer Lager; dort waren
wir bis
zum 23.09.; von dort wurden wir ins Burgberglager verlegt. 26.09.
Nachmittag wurden wir wieder umgeladen und es begann die Fahrt Kraft durch
Freude 29.09.
Sonntag früh um 4 Uhr sind wir in Augsburg angekommen. 02.10.
wurden wir von Augsburg gegen 13 Uhr weitertransportiert und kamen gegen 18 Uhr
in Neu-Ulm an. Da wurden wir in einem Getreidespeicher untergebracht und mussten
dort einige Tage verbringen. 12.10.
sind wir dann nach Biberach gebracht worden, wo wir dann auf die Dörfer
verteilt wurden. 1949
im März kam mein Sohn Rudi aus russischer Gefangenschaft. 29.03.
ist mein Schwager Moritz gestorben. |