Er
wollte den Teufel überlisten
Bei
der Durchsicht des
schlesisch-mährischen
Volkskalender für das
Vaterland von 1955
entdeckte ich eine
kleine Geschichte,
geschrieben von unserem
bekannten Heimatdichter
Erwin Ott, der in
Wallstein, in seinem
Paradies – wie er es
immer nannte – viele
Jahre verbrachte.
Gleich
beim Lesen der ersten Sätze
erkannte ich, dass Erwin
Ott eine bekannte Persönlichkeit
aus Verlorenwasser, ohne
dass sein Namen erwähnt
wurde, charakterisierte.
Es handelte sich um Adolf
Hertenberger, auch
Herta-Pauer genannt. Über
ihn hatte ich in der März-Ausgabe
2005 des JHB auf S. 95
bereits berichtet.
Die
in der nachfkpolgenden
Ausführung von E. Ott
erwähnte Tochter ist
nicht zu treffend. Herr
Hertenberger (VW 9)
hatte nur einen Sohn
Adolf – geb. 1888,
gest. 1896. Er selbst
wurde 1855 geboren und
starb im Januar 1936.
Verheiratet war er mit
Marie Freitag (VW 15),
einer Großtante von
mir.
Nun zu der
Geschichte von Erwin
Ott:
„Der
Bauer ist an die Achtzig
alt gestorben. Er war
schon fast wie die Berge
der Heimat: krumm, mit
vielen Runzeln im
Gesicht. Die Worte kamen
ein wenig langsam über
die listigen Lippen,
waren aber immer noch
klar wie die Bergwässer.
Die Augen hatten noch
die tiefe Bläue der
Jugend. Die knotigen Hände
schlenkerten beim Gehen,
als würfe die eine der
anderen irgendeinen
Scherz zu. Mein
schlesischer Bauer hat
sein Leben lang auf die
Ochsen im Stalle viel
gehalten. Er war ihnen
ein lieber Freund.
Einmal hatte er einen
besonders stattlichen
Vertreter dieser Rasse.
Er redete ihn deshalb
mit dem Ehrentitel
„Herr“ an. Kam der Bäckerjunge,
so kaufte er stets für
seinen „Herrn frische
Kipfeln. Hatte er von
seinen Feldern Getreide
oder Futter einzuführen,
so ging er in den Stall
und brüllte dem Ochsen
ins Ohr: „Herr,
wellste heit einfihrn“
(einfahren)? Schüttelte
der „Herr“ ob
solchen Gebrülls
verneinend der Kopf,
dann meinte mein Bauer:
„Inne, wenn d nie
wellst, do war iech
mir’sch hoalt met dr
Roaper (Schubkarren)
einfihrn!“ Und das tat
er auch wirklich.
Ist
es ein Wunder, daß ein
solcher Mensch nur eine
Furcht kannte: die vorm
Sterben? Wenn ihnen
seine Freunde deswegen
zu necken versuchten, lächelte
er pfiffig: „Mich fend
dar Tuud (Tod) nie. Iech
sätz mr jede Noacht mei
Bette ei a andre
Stobenecke. Ound wenn a
geroade ofn Felde wär?“
wollte jemand wissen.
„Do sah iech`n ja
komm! Do spreng ieach
iber de Stanrecke nieber
ound versteck miech. Do
koan a ja nonder eis
Heisla giehn, wenn a
denkt, doaß a miech
doat oantrefft!“
lachte mein Bauer.
Als
sein Weib im Sterben lag
und der Priester mit dem
Allerheiligsten kam,
ging mein Bauer auf den
Berg hinaus, setzte sich
im warmen Sonnenschein
auf eine Steinrücke und
sah auf sein Häusl
hinunter. „Etz ies dr
Tuud drenne“, sann er
und spürte eine leichte
Kälte auf seinem Rücken.
Unbeweglich saß er. Er
sah den Priester
fortgehen. Aber er ging
noch nicht heim. Er
wartete, bis die Magd
kam und ihm sagte, daß
die Frau gestorben sei.
„Etz ies dr Tuud
wieder furt. Etz koan
iech heimgiehn!“
nickte er und stieg den
steilen Hang langsam
hinunter.
Mußte
da der Tod mit seinem
Hasser nicht Mitleid
haben? Und der hatte es!
Er schickte ihm in all
den vielen Jahren keine
Krankheit, keine
warnenden Boten. Er krümmte
ihm nur ein wenig den Rücken,
machte seinen Gang
schwerer. Eines Morgens
wollt der Alte nach
Heinzendorf gehen. Er
hatte sich schon
angezogen, den Stock und
ein kleines Bündel
gesucht. Plötzlich
meinte er zu seiner
Tochter: „Ieach was
nie, es ies mir heit nie
ganz gutt iebern Moagn.“
„Inne Voater, Ihr
misst ja heit nie giehn.
Es hoat ja Zeit.“ Mein
Bauer stellte den Stock
in eine Ecke, legte das
Bündel auf den Tisch
und setzte sich,
angezogen wie er war,
auf einen Stuhl. Und da
kam der Tod. Er tippte
dem Alten nur ein wenig
an die Stirne, daß er
Kopf schwer hintüber
fiel und presste ein
verwundertes Seufzerlein
aus der eingesunkenen
Brust. Und mein
schlesischer Bauer war
in seinem Sonntagsgewand
in die Ewigkeit
gegangen.“